Kunst kennt keine Grenzen
„Uns austauschen und voneinander lernen“
Bad Driburg. Das Wort „Grenze“ fällt häufig an diesem Nachmittag. Grenzen, die Wege versperren, Grenzen, die überschritten werden, Grenzen die Gefahr und Rettung zugleich bedeuten. Grenzen sind überall. Es gibt jedoch einen Horizont, einen Gedankenraum, dem Grenzen völlig fremd sind: Die Kunst. Kunst nämlich ist grenzenlos. Darum heißt die von der örtlichen Zentralen Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete (ZUE) organisierte und im Rathaus von Dad Driburg zu sehende Ausstellung auch „Kunst ohne Grenzen“. Bewohnerinnen und Bewohner der ZUE, Ehemalige und Mitarbeitende stellen hier ihre Werke aus.
„Ich ging die Rathaustreppe hinauf, betrat das Obergeschoss, ließ meine Blicke schweifen und war wirklich sprachlos. Der Anblick dieser einmaligen Objekte ging mir sehr unter die Haut“, sagt Detlef Gehle, der 2. stellv. Bürgermeister der Stadt bei der Eröffnung. Er durfte die Bilder exklusiv bereits einen Tag vorher beim Aufbau sehen. „Die künstlerische Vielfalt des Orients, Afrikas und Osteuropas haben das Rathaus in einen Ort für zeitgenössische Kunst verwandelt. Das Rathaus wird nun zu einem Magnet, es zieht Bürgerinnen und Bürger an und verbindet die Kulturen“, so Gehle weiter.
Auch Markus Merk von der Weberhaus Nieheim gem. GmbH, einem Tochterunternehmen des Kolping-Bildungswerkes Paderborn, das im Auftrag der Bezirksregierung Detmold die Betreuungsdienstleistung in der ZUE übernimmt, zeigt sich begeistert. Häufig kämen die Menschen erschöpft von der Flucht in der Einrichtung an. Dann gehe es erst einmal darum, einen „Anker zu setzen und mitzuhelfen, dass die Geflüchteten zur Ruhe kommen können“, schildert Merk, der als Betreuungsleiter in der Einrichtung arbeitet. Aber sehr schnell käme dann das volle Potential der Bewohner zum Vorschein, das häufig, wie heute zu sehen, seinen Ausdruck in künstlerischer Betätigung finde. Auch in der Kunst kann man – so schwingt es zwischen den Zeilen mit – eine Heimat finden, gerade auch dann, wenn man die eigene aufgrund von Krieg und Terror verlassen musste. In den Kontext der Thematik passend zitiert Merk aus dem Gedicht „Heimatlos“ von Michael Wöstemeyer, dem Prokuristen der Weberhaus Nieheim gem. GmbH, das Schrecken und Hoffnung gleichermaßen in Worte kleidet und sich in das einreiht, was an den Wänden des Rathauses zu sehen ist: „[…] Schmerzlich vermissend // Was lieb gewesen und vertraut // Grenzen sind überschritten // Grenzen des Ertragbaren // Grenzen des Zumutbaren // Grenzen der Unglaublichkeit // Grenzen sind überschritten // Neues Land tut sich auf // Angekommen // In der Hoffnung // Auf ein neues Leben“.
Maßgeblich daran beteiligt, die Talente der Bewohner zu fördern und Veranstaltungen wie diese Vernissage zu konzipieren, sind Esma Demir (Umfeldmanagerin der ZUE) und Mona Hansmeier (Ehrenamtsbeauftragte der ZUE). Beide geben an diesem Tag fleißig Auskunft, erläutern Hintergründe zu den Bildern und der Entstehungsgeschichte und knüpfen Kontakte zu den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung. Sie geben der ZUE Bad Driburg damit nach außen ein Gesicht. Sie sind sozusagen die Schnittstelle zu den Bürgern, suchen den Dialog, erklären, geben Auskunft, binden ehrenamtlich Engagierte und Interessierte ein.
Die Atmosphäre auf der Vernissage wirkt sehr familiär. „Im Gespräch können wir uns austauschen und voneinander lernen. Wir können gemeinsam versuchen, die Werke zu interpretieren, um zu ergründen, was die Künstlerin oder der Künstler damit ausdrücken wollten“, bringt Detlef Gehle die Chancen des Projektes zum Ausdruck.
Die Möglichkeiten des Kunstdialogs vor Ort bestehen bis zum 19. August 2022. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Rathauses besucht werden.
Dieses Kunstwerk, ebenfalls in der Ausstellung zu sehen, stammt von Hasan Habeeb, einem Mitarbeiter der ZUE Bad Driburg (Künstlername: Habib)