Kolping Gutshof beim Fachtag Schulabsentismus vertreten
„Start-off“ vor multiprofessionellem Plenum vorgestellt
Beim „Markt der Möglichkeiten“ im Foyer der Gesamtschule Brakel präsentierten Mareike Gördemann und Carolin Amthor-Bröker (von links) die Arbeit auf dem Kolping Gutshof. Foto: Jana Sudhoff
Der Kolping Gutshof hatte beim Fachtag „Schulabsentismus“ in Brakel Gelegenheit, sich vor einem breiten Fachpublikum zu präsentieren. Zusammengekommen war eine Vielfalt an Fachkräften aus verschiedensten Institutionen aus dem Kreis Höxter, die schulmüden Kindern und Jugendlichen helfen möchten. Carolin Amthor-Bröker, Projektleiterin des Gutshofs in Großeneder, nahm als eine von fünf Podiumsgästen auf der Bühne der Schulaula in der Gesamtschule Brakel Platz. Sie berichtete anhand der „Start-off“-Maßnahme, wie sie mit ihrem Team mittels intensiver Beziehungsarbeit an den Zukunftsperspektiven der schulmüden Jugendlichen arbeitet.
Erfahrungen auszutauschen, um die Herausforderungen des weitverbreiteten Problems gemeinsam anzugehen, war die Motivation für den Fachtag, zu dem der Kreis Höxter eingeladen hatte. Welche Dimensionen schulabsentes Verhalten auch im Kreis Höxter einnimmt, wurde den Gästen bildstark vor Augen geführt. Alle Sitzplätze der zehn hintersten Reihen der Schulaula waren mit Namensschildern reserviert – „stellvertretend für die Schüler*innen, die nicht in der Schule sitzen“, machte Sandra Florsch, Gastgeberin und Schulleiterin der Gesamtschule Brakel, in ihrer Begrüßungsrede auf die Dringlichkeit aufmerksam. Das große Potenzial des Fachtags liege in der Professionen- und Funktionenvielfalt der Teilnehmenden. „Helfen Sie uns, dass die Schüler*innen nicht nur Namen im Klassenbuch sind. Ich wünsche uns viele Infos, gute Gespräche und wichtige Impulse für unsere gemeinsame Arbeit zum Wohle der Schüler*innen.“
„Wie können wir Schule verbessern?“
Fachlicher Input kam aus der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Prof. Dr. Heinrich Ricking, Institut für Förderpädagogik, stellte in seinem Vortrag „Jeder Schultag zählt – Erklärungsansätze und Handlungsmöglichkeiten bei Schulabsentismus“ Formen der Prävention und Intervention vor. Zwei wichtige Appelle machten die Anwesenden besonders nachdenklich: „Wir müssen datenbasiert handeln, diesbezüglich haben wir noch eine erhebliche Leerstelle.“ In England beispielsweise würden Fehltage täglich durch ein Monitoring flächendeckend zentral erfasst. Allen voran wirkte zudem sein Präventionsansatz nach: Wie kann ich das Schulklima verbessern? „Sie werden kein Kind mit Angststörung durch Bußgelder in die Schule holen“, warb er für differenzierte Blickwinkel ob der Multikausalität von Schulabsentismus. Das „klassische“ Schulschwänzen mache gar nicht den größten Anteil aus. Schüler*innen bleiben der Schule nicht fern, weil sie nicht wollen, sondern, weil sie schwerwiegende Probleme haben. Zurückhalten durch Eltern, angstbedingtes Meidungsverhalten bedingt durch beispielsweise Versagensangst, Trennungsangst, Mobbing – das Spektrum ist breitgefächert. „Wie wollen wir aus Schulperspektive damit umgehen und was können wir verbessern?“ An die Hand gab er den Schulexpert*innen das Projekthandbuch „Jeder Schultag zählt“, das kostenlos im Internet zur Verfügung steht.
Leitfaden und Clearing-Prozess
Mit dem Leitfaden „Schulabsentismus für den Kreis Höxter“ gibt es zudem praxisorientierte Strategien für die Schule an die Hand. Die Handreichungen, die die AG Schulabsentismus im Kreis Höxter 2025 herausgegeben hat, stellten Rabea Lausen (Regionale Schulberatung Kreis Höxter) und Maria Komm (Schulamt für den Kreis Höxter) vor. Das Ablaufschema zeigt den Beteiligten auf, was in den jeweiligen Fallszenarien zu tun ist.
Den Fachtag nutzte der Arbeitskreis außerdem, um seinen neu eingeführten Clearing-Prozess vorzustellen, der er in Anlehnung an die Arbeit der Clearingstelle im Kreis Lippe entwickelt hat: ein Beratungsangebot eines multiprofessionell besetzten Fachkräfteteams im Kreis Höxter. Die Gesprächstermine finden ratsuchende Fachkräfte im Terminkalender der Regionalen Schulberatungsstelle für den Kreis Höxter. „Niederschwelligkeit und Multiprofessionalität bilden die zentralen Merkmale des Fallmanagementangebots“, betonte Dominic Gehle, AG-Mitglied und Abteilungsleiter Bildung und Integration beim Kreis Höxter, der den Fachtag moderierte.
Appelle an die Politik
Dass es schon gute Ansätze im Kreis Höxter gibt, zeigte das Podiumsgespräch. Neben Einblicken in das Präventionsangebot für schulmüde Jugendliche auf dem Kolping Gutshof skizzierten beispielsweise Claudia Güthoff, Schulleiterin der Sekundarschule Warburg-Borgentreich, und ihre Schulsozialarbeiterin Carina Hillebrand ihr Schulprojekt „Tankstelle“. Moderator Dominic Gehle führte zudem die „Tandemklasse“ der Sekundarschule Höxter ins Feld. Ihre Expertise aus kinder- und jugendärztlicher Sicht brachte Dr. Annette Faig vom Gesundheitsdienst des Kreises Höxter ein. Als eine der Schwachstellen im System wurde beispielsweise der bislang unzureichende Stellenanteil in der Schulsozialarbeit angeführt. Einig war man sich auch, dass man viel früher als bisher üblich präventiv ansetzen müsse. Referent und Podiumsgesprächsteilnehmer Prof. Dr. Heinrich Ricking betonte zudem nachdrücklich: „Wir nutzen präventive Chancen noch zu wenig. Wir müssen Schule stark machen, damit sie ihre Haltekraft stärken und die Schüler*innen individuell begleiten kann.“ Der Appell an die Politik von Carolin Amthor-Bröker: „Das System sollte mit mehr Menschlichkeit gefüllt werden. Wir sollten den Blick auf die Menschen und ihre Bedürfnisse richten statt auf Effizienz.“
Für den „Markt der Möglichkeiten“ hatte die Gutshof-Projektleiterin ein Holzmodell vom Bauernhof mitgebracht. Aufgeklebte QR-Codes führten zu kurzen filmischen Eindrücke vom Hofleben.
Zu den wesentlichen Erkenntnissen des Fachtags gehörten für Moderator Dominic Gehle: „Immer wieder erstaunt mich, wie viele unterschiedliche Professionen an diesem komplexen Themenfeld beteiligt sind, aber vor allem, wie wichtig der individualisierte Blick und die individualisierte Unterstützung jedes*jeder Heranwachsenden sind. Hierfür bedarf es einer echten Anstrengung an Ressource Zeit, Geld und Personal, um dem § 1 im Schulgesetz wirklich gerecht zu werden.“